Weil niemand darüber redet – also tu ich’s
Es gibt diese Tage, an denen es sich anfühlt, als würde ich durch Nebel laufen – körperlich und gesellschaftlich. Ich lebe mit primär progredienter Multipler Sklerose (MS), und trotzdem scheint es, als wäre die Krankheit in meiner Region ein Tabuthema. Niemand spricht darüber: nicht die Ärzt*innen, nicht die Nachbar*innen und schon gar nicht die, die selbst betroffen sind.
Deshalb schreibe ich diesen Text.
Ich bin Elisabeth, 32, aus der Steiermark. Ich habe beschlossen, laut zu sein und aufzuklären. Ich möchte anderen das geben, was ich selbst so lange gebraucht hätte: eine ehrliche Sammlung von Hilfe, Hoffnung und Unterstützung.
Was ich gern früher gewusst hätte
Nach meiner Diagnose war ich überfordert – nicht nur körperlich, sondern auch emotional und organisatorisch. Wo gibt es Hilfe? Wer kennt sich mit MS aus? Wer versteht mich, wenn ich sage: „Ich bin erschöpft, obwohl ich nichts getan habe?“
In den letzten Wochen habe ich genau das gesammelt: Adressen, Ansprechpartner*innen, Methoden, die mir helfen, und einen Raum, in dem man sich nicht falsch fühlen muss.
Denn in Österreich, besonders im ländlichen Raum, ist MS oft unsichtbar. Es fehlt an Vernetzung, verständlicher Aufklärung und Anlaufstellen, die wirklich wissen, was Sache ist.
Mein Freebie „Was ich gern früher gewusst hätte?“ ist genau das: eine Sammlung für Betroffene in meiner Region – und darüber hinaus.
Warum ich laut bleibe, auch wenn ich leise Tage habe
Ich bin keine Ärztin oder Therapeutin. Aber ich bin Betroffene und will nicht mehr schweigen. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man keine Antworten bekommt, wenn man arbeiten oder kreativ sein möchte, aber das Gefühl hat, nicht ernst genommen zu werden.
Ich schreibe über MS auf Instagram, baue mir mit meiner Backleidenschaft ein neues Leben auf und rede offen über Ausfälle, Inkontinenz und Überforderung. Nicht, weil es leicht ist, sondern weil es wichtig ist.
Was du tun kannst, wenn du neu mit MS bist
- Suche dir Menschen, die dich verstehen. Online, in Foren, Selbsthilfegruppen oder im echten Leben. Du brauchst niemanden, der Lösungen liefert – aber jemanden, der zuhört.
- Psychische Gesundheit ist kein Luxus. Finde Therapeut*innen oder andere unterstützende Angebote. Sie können dein Anker sein, wenn alles zu viel wird, und helfen, deinen Weg zu finden durch Angst, Wut und Unsicherheit.
- Lass dich beraten. Rechtliche Hilfe, Rehageld, Pflege, Behindertenpass – all das sind Themen, bei denen du Unterstützung verdient hast.
- Wenn offizielle Stellen dich allein lassen:
Wenn Termine erst in Monaten verfügbar sind oder Formulare unverständlich bleiben, brauchst du Menschen, die nicht wegschauen. Ich hatte Glück: der Verein „Chronisch krank“ half mir mit Widersprüchen, Formulierungshilfen und komplizierten Formularen. - Schau in mein Freebie „Was ich gern früher gewusst hätte!“ Dort findest du regionale Ansprechpartner*innen, Tipps zu Psyche, Ernährung, Bewegung sowie Links zu Podcasts und Plattformen.
- Besteh auf dein Recht. Frage nach, lass dir Dinge erklären, hol dir eine zweite Meinung, wenn nötig. Wenn dir jemand sagt: „Da kann man eh nichts machen“ – du bist hier falsch. Wissen ist Macht, besonders bei deinem Körper.
Ja, es ist anstrengend. Ja, manchmal fühlt es sich an, als würde ein Affe mit Trommeln gegen deinen Kopf hämmern, während du dich durch Paragrafen und unverständliche Fachbegriffe kämpfst. Aber es lohnt sich.
Warum ich mich jetzt vernetze und was das verändert
Ich habe lange geglaubt, alles allein schaffen zu müssen. Aber es ist zu viel: Bürokratie, Unsicherheit, Schweigen.
Deshalb vernetze ich mich jetzt mit Menschen, die zuhören, handeln und begleiten. In den letzten Wochen habe ich:
- Den Novum in Murau entdeckt, einen Ort für Austausch von Frauen für Frauen.
- Kontakt zum Lungauer Frauennetzwerk aufgenommen, um über Themen zu sprechen, die oft verborgen bleiben.
- Mich mit Therapeut*innen, Ärzt*innen und Unterstützer*innen aus der Region ausgetauscht und endlich gesehen gefühlt.
Diese Gespräche machen sichtbar, was sonst verborgen bleibt – und zeigen: wir sind nicht allein.
Ich träume von einer Region, in der Menschen mit chronischen Erkrankungen nicht still werden müssen. In der es normal ist, über Fatigue, Unsicherheit, motorische Ausfälle und Ängste zu sprechen. In der Hilfe nach Menschlichkeit verteilt wird, nicht nach Aktenlage.
Und das beginnt hier: Mit einem Text, einem Gespräch, einer Einladung, gemeinsam zu wachsen – nicht nur in Deutschland, sondern endlich auch in Österreich.