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Mein Start bei den Paralympics: Der Moment nach der letzten Grußaufstellung

Es war der Moment, auf den ich so lange hingearbeitet hatte. Die Zuschauer applaudierten, die Anspannung löste sich, und ich konnte entspannt durchatmen. Doch der wahre Höhepunkt dieses Augenblicks war nicht ich, sondern mein Pferd Highlander Delight’s – und wie er den Applaus genoss. Das Gefühl, das er mir vermittelte, wie stolz er war, als die Menge uns bejubelte, zeigte mir, dass all die Stunden des Trainings, das Vertrauen und die Hingabe wirklich belohnt wurden. Und dass daraus zwei Einzel-Silbermedaillen und eine Bronzemedaille im Team resultierten, machte den Erfolg umso bedeutender.

Und all das in diesem wundervollen Ambiente des Schlossparks von Versailles, dem Sitz des Sonnenkönigs. Diese Momente verweilen unvergessen, Momente für die Ewigkeit.

Der Weg zu den Paralympics: Viel mehr als nur ein Ziel

Der Weg zu den Paralympics war kein Spaziergang, aber jeder Schritt hat sich gelohnt. Manchmal war es ein harter Kampf gegen die eigenen Zweifel, dann wieder die Herausforderung, mit meinem Pferd als Team zusammenzuwachsen und den Alltag zu bewältigen. Die vielen Stunden im Stall, das ständige Feilen an der Kommunikation und dem Vertrauen zwischen uns – das war die wahre Arbeit hinter dem Glanz der Paralympics.

Aber es waren auch die Momente, in denen ich nach einem missglückten Versuch sah, welches Feedback mein Pferd mir gab. Das Gefühl und der Glaube, dass es sein Jahr ist, 2024 das Jahr, in dem unser Training Früchte trägt, war überwältigend. „Lights“ ist stark geworden, sowohl körperlich als auch mental. Dieses Gefühl gab mir immer wieder die Kraft, weiterzumachen.

Lights“ und ich, wir sind wie ein eingespieltes Duo. Jeder weiß, was der andere braucht, oft sogar ohne Worte. Wenn es darauf ankommt, kennen wir uns so gut, dass selbst die kleinste Geste alles verändern kann.

Mein Einstieg in den Parasport

Der Weg in den Parasport war für mich nicht immer klar. Lange Zeit war ich einfach nur jemand, der das Reiten liebte, ohne darüber nachzudenken, was es für Menschen mit besonderen Bedürfnissen bedeutet, im Sport ihr Bestes zu geben. Dann kam der Wendepunkt, als ich merkte, dass ich mehr wollte: Ich wollte mit meiner Leidenschaft anderen zeigen, was möglich ist, wenn man zusammenarbeitet und sich gegenseitig vertraut.

„Die Welt der Para-Reiter ist nicht nur sportlich, sondern auch unglaublich inspirierend.“

Regine Mispelkamp, Para-Dressurreiterin

Der Einstieg in den Parasport war eine Entdeckung. Die Welt der Para-Reiter ist nicht nur sportlich, sondern auch unglaublich inspirierend. In der Disziplin, in der ich antrete – dem Para-Dressurreiten – geht es nicht nur um die Technik, sondern auch um das perfekte Zusammenspiel zwischen Pferd und Reiter. Es ist eine Mischung aus Präzision, Gefühl und Kommunikation, die weit über das hinausgeht, was viele sich vorstellen. Die Kombination aus mentaler Stärke und körperlicher Herausforderung macht den Parasport für mich zu einer einzigartigen Erfahrung.

Parasport und die besonderen Herausforderungen

Was den Parasport so besonders macht, ist die Vielfalt der Athleten und die unterschiedlichen Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind. Jeder von uns hat seine eigene Geschichte, seine eigene Reise, aber wir alle haben das gleiche Ziel: über uns hinauszuwachsen und das Beste zu geben. In der Para-Dressur geht es nicht nur darum, fehlerfrei durch die Prüfungen zu kommen, sondern um die Kommunikation mit dem Pferd, das Vertrauen in sich selbst und die Fähigkeit, jeden Tag etwas Neues zu lernen.

Für mich bedeutet das nicht nur, den Wettkampf zu gewinnen – es bedeutet, mit meinem Pferd an meiner Seite den Moment zu genießen und zu wissen, dass wir gemeinsam etwas erreicht haben, das nicht nur uns, sondern auch anderen Mut macht.

Mentale Vorbereitung und der Umgang mit MS: Eine neue Perspektive auf das Leben

Die mentale Vorbereitung ist für mich genauso wichtig wie das körperliche Training. Es geht nicht nur um das Üben von Bewegungsabläufen, sondern auch um das Vertrauen in mich selbst, die Akzeptanz meiner Multiplen Sklerose (MS) und das Bewusstsein, dass ich mit jeder Herausforderung wachse. MS hat mich zwar vor einige Hürden gestellt, aber sie hat mir auch eine ganz neue Perspektive auf das Leben gegeben. Ich habe gelernt, dass ich die Kontrolle über meinen Weg behalte – nicht trotz meiner Krankheit, sondern zusammen mit ihr.

MS ist nicht nur ein Teil meines Lebens, sondern auch ein Teil meiner Reise zu den Paralympics. Sie hat mich gelehrt, wie wichtig es ist, geduldig mit sich selbst zu sein und die kleinen Fortschritte zu schätzen. Es gibt Tage, an denen mein Körper nicht das mitmacht, was mein Kopf will, aber genau dann muss ich innehalten und lernen, auf meinen Körper zu hören und ihm die Zeit zu geben, die er braucht. Diese Tage sind nicht leicht, aber sie haben mich stärker gemacht. Sie haben mich gelehrt, den Moment zu genießen und mich nicht nur auf das Ziel, sondern auch auf die Reise selbst zu konzentrieren.

„Trotz oder vielleicht gerade wegen meiner MS erlebe ich nun Dinge, von denen ich früher nie zu träumen gewagt hätte.“

Regine Mispelkamp, Para-Dressurreiterin

Das Leben mit MS: Eine Chance, mehr zu erleben

Trotz oder vielleicht gerade wegen meiner MS erlebe ich nun Dinge, von denen ich früher nie zu träumen gewagt hätte. Die Teilnahme an den Paralympics, das Arbeiten mit meinem Pferd, das Gefühl der Erfüllung, wenn wir gemeinsam eine Herausforderung meistern – all das zeigt mir, wie viel mehr im Leben möglich ist, wenn man an sich glaubt.

Es ist unglaublich, diese Lebensereignisse mitzuerleben und zu wissen, dass ich durch die MS meinen Weg gefunden habe, der mir heute so viele Türen öffnet. Und auch wenn es nicht immer einfach ist, erinnere ich mich immer wieder daran, dass ich mit jedem Schritt eine Grenze überschreite – nicht nur körperlich, sondern auch mental. Ein wichtiger Aspekt ist die Anerkennung der Erkrankung.

Der Weg nach Los Angeles 2028: Der nächste Traum

Und der nächste Traum steht schon fest: Los Angeles 2028. Der Weg dorthin ist nicht einfach, aber ich bin bereit, ihn zu gehen. Es gibt noch so viel zu tun, noch so viele Herausforderungen zu meistern. Aber ich weiß, dass ich mit meinem Team, meinen Pferden und meiner eigenen Entschlossenheit alles erreichen kann. Ich möchte die Goldmedaille gewinnen. Wie sich Bronze und Silber anfühlen, weiß ich jetzt, der Reiz ist da. Der Gedanke, dass der nächste große Moment vielleicht in LA stattfindet, gibt mir noch mehr Motivation und treibt mich weiter an.

Reiten als Beruf und Leistungssport: Der Weg, den ich selbst gewählt habe

Reiten ist nicht nur mein Leistungssport, sondern auch mein Beruf, meine Berufung, meine Leidenschaft. Schon seit vielen Jahren widme ich mich mit Leidenschaft und Hingabe dem Pferdesport – sowohl als Sportlerin als auch als Trainerin. Es war nicht immer einfach, diese beiden Welten miteinander zu verbinden, besonders als meine MS-Diagnose kam. Die Unsicherheit, wie sich meine Erkrankung auf meine berufliche Zukunft auswirken würde, war enorm. Die Angst vor Existenzverlust und dem Verlust meiner Lebensgrundlage war real.
Es war eine schwierige Entscheidung, meine MS öffentlich zu machen.

Gerade als Selbstständige, die auf das Vertrauen ihrer Kunden angewiesen ist, konnte ich nicht sicher sein, wie das Umfeld reagieren würde. Würden Menschen mir noch ihre Pferde anvertrauen? Würde ich weiterhin arbeiten können? Diese Fragen haben mich lange beschäftigt. Aber irgendwann wurde mir klar: Wenn ich nicht den Mut habe, mein Leben und meine Gesundheit anzunehmen und ehrlich damit umzugehen, dann würde ich auch nie wirklich frei leben können. Also habe ich den Schritt gewagt – und es war der beste, den ich machen konnte.

Mein Glück selbst in die Hand genommen

Ich habe mir quasi mein eigenes Glück geschaffen. Anstatt mich von meiner Erkrankung definieren zu lassen, habe ich begonnen, das Beste daraus zu machen. Ich habe gelernt, mit der MS zu leben und sie nicht als Hindernis zu sehen, sondern als einen Teil von mir, der mich stärker macht.

Heute bin ich nicht nur als Para-Reiterin aktiv, sondern auch beruflich erfolgreicher denn je. Die Offenheit, die ich gegenüber meiner Erkrankung zeige, hat mir eine neue Art von Respekt und Anerkennung gebracht – sowohl im Sport als auch in meinem Beruf.

„Im Parasport habe ich erlebt, wie viel Inspiration und Demut einem bringen kann. Wenn man sieht, mit welchen Einschränkungen andere Menschen alltägliche Aufgaben meistern und dabei herausragende sportliche Leistungen erbringen, wird einem klar, dass es keine Ausreden gibt.“

Regine Mispelkamp, Para-Dressurreiterin

Mehr als nur Sport: Offenheit und Authentizität als Schlüssel zum Erfolg

Seitdem ich meine MS öffentlich gemacht habe, hat sich nicht nur mein Reiten, sondern auch meine ganze Sichtweise verändert. Ich bin viel offener geworden, nicht nur gegenüber meiner Erkrankung, sondern auch gegenüber mir selbst und meinen Mitmenschen. Diese Offenheit hat mir geholfen, authentischer zu sein, sowohl im Sport als auch im Alltag. Ich habe gelernt, mich nicht von Ängsten oder Sorgen darüber, was andere denken, blockieren zu lassen. Stattdessen habe ich das Vertrauen in meine Fähigkeiten gestärkt und die Erkenntnis gewonnen, dass ich als Mensch viel mehr erreichen kann, wenn ich mich selbst annehme, mit all meinen Stärken und Schwächen.

Im Parasport habe ich erlebt, wie viel Inspiration und Demut einem bringen kann. Wenn man sieht, mit welchen Einschränkungen andere Menschen alltägliche Aufgaben meistern und dabei herausragende sportliche Leistungen erbringen, wird einem klar, dass es keine Ausreden gibt. Es geht nicht darum, sich von Herausforderungen unterkriegen zu lassen, sondern darum, mit Entschlossenheit und Willen weiterzumachen. Der Parasport hat mir gezeigt, dass das, was wir Para-Athleten für „normal“ halten, für viele Menschen eine enorme Hürde darstellt. Und trotzdem machen wir das Beste daraus und erreichen Großartiges.

Klagen auf hohem Niveau lassen und den eigenen Weg gehen

Diese Erkenntnisse haben mir geholfen, meine eigene Haltung zu überdenken. Es geht nicht darum, sich über das Leben zu beklagen oder über Dinge, die wir nicht ändern können. Stattdessen geht es darum, sich darauf zu konzentrieren, was möglich ist, und das Beste aus dem zu machen, was einem gegeben ist. Wenn man wirklich will, kann man so viel mehr erreichen, als man denkt – man muss nur den Mut haben, loszugehen und die Herausforderungen anzunehmen, anstatt sich von ihnen entmutigen zu lassen.

Der Sichtungsweg: Ein Traum wird greifbar

Der Weg zu den Paralympics war alles andere als geradlinig. Es war ein Prozess aus harter Arbeit, Geduld, Fleiß, Selbstreflexion, Disziplin und vielen Rückschlägen. Der Sichtungsweg für die Paralympics ist eine Herausforderung, die sowohl körperlich als auch mental viel von einem verlangt. Ich wusste, dass ich alles geben musste, um die nötigen Qualifikationen zu erreichen – und das nicht nur im Sport, sondern auch im Umgang mit meiner MS. Es ging nicht nur darum, die Anforderungen zu erfüllen, sondern auch darum, zu zeigen, dass ich trotz der Krankheit als Athletin und Mensch leistungsfähig bin.

Der Sichtungsprozess war kein leichter. Es gab viele Gespräche mit Trainern, Ärzten und Betreuern. Viele Male musste ich meine eigenen Grenzen testen und neu definieren. Aber jedes Mal, wenn ich dachte, dass ich nicht mehr weiterkonnte, fand ich neue Kraft, weiterzumachen. Ich hatte ein Ziel vor Augen, und das war größer als jedes Hindernis, das sich mir in den Weg stellte.

Von der Sichtung zum großen Ziel: Die Paralympics

Als die Sichtungswettkämpfe begannen, mussten wir bereits alles geben. Die Konkurrenz war groß. Letztendlich dürfen nur die vier besten Para-Reiter nach Paris. Angepasst auf Grundlage vorgegebener Sichtungskriterien, auch im Hinblick auf die Zusammensetzung der vier Reiter, war es ein ständiges Abwägen: Wo stehe ich und wo stehen die anderen? Nach jeder weiteren Sichtung war es der Moment, in dem ich merkte, dass sich all die Arbeit und die Zweifel, all die Stunden im Sattel und die intensiven Trainings bezahlt gemacht haben. Aber es war auch der Moment, in dem ich spürte, dass es jetzt wirklich ernst wird.

Der Traum von meinen zweiten Paralympics rückte greifbar näher. Aber ich wusste, dass es noch nicht genug war. Ich musste noch fokussierter sein, noch mehr von mir selbst verlangen.
Die Wettkämpfe während der Sichtung waren emotional und körperlich anstrengend. Aber sie zeigten mir auch, was ich alles leisten kann, wenn ich an mich und mein Pferd glaube. Das Gefühl nach einer erfolgreichen Sichtung, zu wissen, dass ich auf dem richtigen Weg bin, war überwältigend. Aber gleichzeitig wusste ich, dass ich mich noch weiter steigern musste, um es nach oben zu schaffen.

Der Blick auf Los Angeles 2028: Ein neuer Traum wird geboren

Jetzt, mit LA als nächstem Ziel, ist der Traum von den Paralympics noch realer geworden. Die Vorbereitung auf die kommenden Wettkämpfe und die weiteren Sichtungen sind im vollen Gange. Ich weiß, dass es ein harter Weg wird, aber ich bin bereit, alles zu geben, um meine Reise fortzusetzen. Ich habe nicht nur für mich gekämpft, sondern auch für die Menschen, die an mich glauben – und für all die, die vielleicht nie an ihre eigenen Träume geglaubt haben, aber durch meine Geschichte inspiriert werden könnten.

LA ist nicht nur ein Ziel – es ist ein Symbol für all das, was ich bis dahin erreicht und erlebt habe. Aber der Weg dorthin ist noch lange nicht zu Ende, und ich freue mich darauf, zu sehen, wie er sich entfaltet. Es wären meine dritten Paralympics, und das ist ein mega großer Anreiz, weiterzumachen.