Die Vielfalt der MS-Symptome
Menschen, die an Multipler Sklerose erkrankt sind, können eine Vielzahl von Symptomen erfahren, die aufgrund der komplexen Natur der Erkrankung oft schwer zu diagnostizieren sind. Diese Symptome reichen von Störungen der Sensibilität bis hin zu Taubheitsgefühlen und Sehstörungen. In den meisten Fällen beginnt die MS mit Schüben, in denen die Symptome auftreten und sich später wieder zurückbilden. Gerade zu Beginn der Krankheit sind diese Symptome so vielfältig und diffus, was es sogar erfahrenen Ärzt:innen erschwert, eine Verbindung zu der Erkrankung zu finden und die MS Diagnose zu stellen.
Wie wird eigentlich die umfassende Diagnose von MS gestellt?
Aufgrund der Tatsache, dass MS-typische Symptome wie Sehstörungen oder Gangunsicherheiten auch bei anderen neurologischen Erkrankungen auftreten können, ist eine genaue Abklärung unerlässlich. Dazu gehören beispielsweise Borreliose, HIV-Infektion, Sarkoidose sowie Gefäß- und Stoffwechselerkrankungen. Der Ausschluss dieser Erkrankungen ist ein wichtiger erster Schritt, um sicherzustellen, dass die Symptome tatsächlich auf Multiple Sklerose zurückzuführen sind.
Die Rolle von Liquoruntersuchung, MRT und elektrophysiologische Messungen
Um die MS Diagnose zu sichern, sind weitere Untersuchungen erforderlich. Eine davon ist die Untersuchung der Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit, auch Liquoruntersuchung genannt. Dabei werden bestimmte Eiweiße und Zellen analysiert. Zusätzlich dazu wird eine Kernspintomographie (MRT) durchgeführt, um detaillierte Bilder des Gehirns und des Rückenmarks zu erhalten. Diese Untersuchungen sind entscheidend, um die Diagnose zu bestätigen.
Die Untersuchung umfasst auch elektrophysiologische Messungen. Eine dieser Messungen ist die Bestimmung der Leitungsfähigkeit der Sehnerven. Diese Untersuchungen ermöglichen es den Ärzt:innen, die Funktion des Nervensystems genauer zu überprüfen und festzustellen, ob bestimmte Nervenbahnen betroffen sind.
Erfahrene Neurologen und klare Diagnosekriterien
Die Ärzt:innen, die sich mit der Diagnostik befassen, sind mit den definierten Kriterien vertraut, die erfüllt sein müssen, bevor die MS Diagnose gestellt wird. Die sog. McDonald-Kriterien stellen den fachlichen Standard in der Diagnosestellung dar. Diese Kriterien heben darauf ab, neben einem klinischen Ereignis die Verteilung der Erkrankung in Ort und Zeit zu belegen. Eine Diagnosestellung ist bereits nach einem ersten Krankheitsschub möglich, sofern entsprechende Hinweise vorliegen und die weiteren Untersuchungsmethoden dies unterstützen.
Mehr Arztbesuche vor der MS-Diagnose
Bekannt ist mittlerweile, dass Menschen mit MS oft Jahre vor ihrer offiziellen Diagnose häufiger einen Arzt aufsuchen oder im Krankenhaus behandelt werden als Menschen ohne diese Erkrankung. Dieser Zeitraum vor der MS-Diagnose wurde von Expert:innen als mögliche „Prodromalphase“ (Vorläuferphase) bezeichnet.
Neue Erkenntnisse aus der Forschung
Die Forschenden der TUM, unter der Leitung von Prof. Bernhard Hemmer, haben jedoch kürzlich neue Erkenntnisse veröffentlicht, die diese Annahme in Frage stellen. Sie glauben nun, dass die Beschwerden vor der MS-Diagnose wahrscheinlich nicht auf eine Vorläuferphase der Erkrankung zurückzuführen sind. Stattdessen deuten ihre Studienergebnisse darauf hin, dass es sich um erste Schubereignisse der Erkrankung handeln könnte.
Frühe Diagnose als Schlüssel zur besseren Behandlung
Die Erkenntnisse aus dieser Studie könnten bedeutende Auswirkungen auf die Behandlung von MS haben. Wie Dr. Christiane Gasperi, Ärztin und Wissenschaftlerin, betont, ist eine frühzeitige Diagnose entscheidend für eine effektive Behandlung. Je früher die Multiple Sklerose erkannt wird, desto besser können Ärzt:innen die Erkrankung behandeln und den Verlauf positiv beeinflussen.
Welche Symptome könnten übersehen werden?
Die Forschenden sind nun daran interessiert, genauer zu untersuchen, welche frühen Symptome der MS möglicherweise übersehen werden. Dies könnte dazu beitragen, die Erkrankung früher zu erkennen und somit auch früher mit einer Therapie zu beginnen. Die Identifizierung dieser Symptome könnte einen bedeutenden Schritt in Richtung einer besseren Lebensqualität für Menschen mit MS bedeuten.
Unerwartete Beobachtungen
Interessanterweise zeigte die Studie auch, dass Personen mit MS seltener wegen Infekten der oberen Atemwege ärztliche Hilfe in Anspruch nahmen. Dies überraschte die Forschenden, da es zuvor Hinweise darauf gab, dass Schubereignisse bei Multipler Sklerose mit Infektionen in Verbindung stehen könnten. Dieser Zusammenhang wird nun in zukünftigen Studien genauer untersucht werden müssen.
Insgesamt sind die neuen Erkenntnisse der TUM ein vielversprechender Schritt in Richtung einer früheren MS-Diagnose und einer besseren Behandlung. Menschen, die mögliche Symptome der Erkrankung haben, sollten daher frühzeitig ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, um die bestmögliche Versorgung zu erhalten. Eine frühzeitige Diagnose kann den Weg zu einem aktiveren und gesünderen Leben ebnen.