Impfen bei Multipler Sklerose stellt ein Dilemma dar: Durch immunsupprimierende Medikamente kann die Immunabwehr bei Betroffenen beeinträchtigt sein und das Risiko für schwere Infektionen kann steigen. Daher sind Impfungen wichtig. Dabei stellt sich allerdings immer die Frage: wann ist der richtige Zeitpunkt zum Impfen, welche Impfungen sind zu empfehlen und welchen Einfluss hat die Basistherapie auf die Impfentscheidung?
PD Dr. med. Marc Pawlitzki, Oberarzt am Universitätsklinikum Düsseldorf und Leiter des Studienzentrums der Klinik für Neurologie, referierte über diese Fragen in einem unserer spannenden, medizinischen Online-Seminare.
Totimpfstoff vs. Lebendimpfstoff bei MS
Immunsupprimierende Medikamente können das Risiko für schwere Infektionen erhöhen. Systemische Infekte können dann möglicherweise auch die MS triggern und die Schubrate und die MRT-Aktivität erhöhen. Impfungen können vorbeugend gegen schwere Infekte wirken. Aber können Impfungen auch die MS beeinflussen?
Hier muss man zunächst zwischen Totimpfstoffen und Lebendimpfstoffen unterscheiden. Ein Totimpfstoff enthält tote Krankheitserreger bzw. deren Bestandteile. Lebendimpfstoffe hingegen enthalten abgeschwächte, aber noch lebende Erreger. Sie können daher bei immungeschwächten Personen Erkrankungen auslösen, deren klinische Symptome der Erkrankung, gegen die geimpft wurde, gleichen. Das könnte dann auch wieder die MS beeinflussen.
Lebendimpfstoff
Zu den Lebendimpfstoffen gehören Impfstoffe gegen die folgenden Erkrankungen:
- Mumps, Masern, Röteln (MMR)
- Varizellen (Windpocken)
- Rotaviren
- Gelbfieber
- Dengue-Fieber
- Ebola
- Ggf. Typhus: Nur die Schluckimpfung ist ein Lebendimpfstoff. Ein Totimpfstoff ist als Spritze erhältlich.
- Ggf. Influenza (Grippe): Nur der Impfstoff, der als Nasenspray bei Kindern verabreicht wird, ist ein Lebendimpfstoff. Ein Totimpfstoff ist als Spritze erhältlich.
Impfen bei MS: Nutzen-Risiko-Abwägung
Pawlitzki betont in seinem Vortrag, dass bei Totimpfstoffen der Nutzen der Impfung höher ist als das Risiko, die Multiple Sklerose zu triggern. Dahingegen sollten Lebendimpfstoffe bei MS aber nur in strenger Nutzen-Risiko-Abwägung verabreicht werden, da sie möglicherweise Infektionen hervorrufen oder die Aktivität der MS begünstigen könnten. Daher sollte bei Fragen rund ums Impfen immer auch der/die Neurolog*in mit an Bord geholt werden.
Impfen bei Multiple Sklerose, wann ist der richtige Zeitpunkt?
Prinzipiell empfiehlt Pawlitzki, den Impfpass vor Beginn einer Basistherapie auf den aktuellen Stand zu bringen. Bei einer aktiven MS sollte sich der Beginn einer Basistherapie dadurch allerdings nicht verzögern. Hier gilt es individuell abzuwägen, welche Impfungen wann sinnvoll sind.
Pawlitzki gibt in seinem Vortrag außerdem wertvolle Tipps zum idealen Impfzeitpunkt bei den verschiedenen Medikamenten. Er geht außerdem auch speziell auf Medikamente ein, die eine B-Zell-Depletion verursachen und möglicherweise die Wirkung verringern könnten. (anti-CD20-Antikörper: Ocrelizumab, Ofatumumab, Ublituximab).
Das Video zu diesem Artikel
Impfen und Multiple Sklerose: Was Patient*innen wissen müssen!
Erfahre im Vortrag mehr zu den unterschiedlichen Impfstoffen, dem idealen Impfzeitpunkt, den möglichen Risiken und den individuellen Impfmöglichkeiten bei MS.