Rauchen und Multiple Sklerose: Ein Blick auf die neuesten Erkenntnisse

Veröffentlicht
Nov 27, 2023
In Kooperation mit Prof. Dr. Sven Meuth möchten wir heute auf eine interessante Studie von Kleerekooper et al. (2022) hinweisen, die die Auswirkungen von Rauchen auf Menschen mit Multipler Sklerose (MS) untersucht hat. Die Forscher analysierten die Daten von 71.981 Personen, darunter 179 MS-Patient*innen, und fokussierten sich auf die Dicke der makulären Ganglienzellschicht und der inneren plexiformen Schicht (mGCIPL) als Maß für Neurodegeneration.

Rauchen als Risikofaktor für MS

Die Frage, inwieweit Rauchen, Alkoholkonsum und Fettleibigkeit die Neurodegeneration bei MS beeinflussen, ist von großer Bedeutung. Bisherige Erkenntnisse zeigen, dass Rauchen ein relevanter Risikofaktor ist. Studien belegen, dass Raucher mit MS ein erhöhtes Risiko für Behinderungen und einen schlechteren langfristigen Verlauf haben.

Beschleunigter Verlauf und höheres Progressionsrisiko

Untersuchungen an 728 Raucher*innen mit MS zeigten, dass jedes zusätzliche Raucherjahr nach der MS-Diagnose die Umwandlung zu einer sekundär chronischen MS (SPMS) um 4,7% beschleunigte. Diejenigen, die weiterrauchten, entwickelten SPMS im Durchschnittsalter von 48 Jahren im Vergleich zu 56 Jahren bei Rauchstopp. Weitere Daten aus Australien bestätigen ein erhöhtes Progressionsrisiko bei ehemaligen Raucher*innen.

Zusammenhang mit Behinderungsfortschritt

Rauchen geht auch mit einem fortschreitenden Behinderungsgrad einher. Das Risiko, einen EDSS-Score von 4 oder 6 zu erreichen, ist bei ehemaligen Rauchern höher. Rauchverzicht reduziert signifikant die Wahrscheinlichkeit, einen EDSS-Score von 4 zu erreichen. Diese Erkenntnisse legen nahe, dass Rauchen mit einer schwereren Erkrankung und einem schnelleren Behinderungsfortschritt verbunden ist.
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EDSS steht für Expanded Disability Status Scale, zu Deutsch: erweiterte Behinderungsskala. Die EDSS-Skala dient dazu, den Schweregrad einer Behinderung aufgrund von MS zu benennen.

Neurodegeneration und Rauchen

Die Studie von Kleerekooper et al. fand heraus, dass aktuelles Rauchen signifikant mit einem erhöhten MS-Risiko verbunden war. Personen mit MS scheinen empfindlicher für die neurodegenerativen Auswirkungen von Rauchen zu sein. Die neurotoxischen Wirkungen des Rauchens könnten mit den bei MS auftretenden neurodegenerativen Prozessen interagieren, was zu verstärktem neuronalen Zelltod und axonalem Verlust führt.

Der positive Einfluss des Rauchverzichts

Es ist ermutigend zu wissen, dass MS-Patient*innen durch Rauchverzicht ihr Fortschreitungsrisiko positiv beeinflussen können. Die Studie von Kleerekooper et al. deutet sogar darauf hin, dass Nichtrauchen die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung von MS beeinflussen könnte. Nichtrauchen ist somit nicht nur für die allgemeine Gesundheit, sondern auch aus neurologischer Sicht ein starkes Argument gegen das Rauchen.
Diese Erkenntnisse unterstreichen die Bedeutung einer gesunden Lebensweise für Menschen mit MS. Nichtrauchen kann nicht nur den Verlauf der Krankheit beeinflussen, sondern auch das Risiko für die Entwicklung von MS reduzieren. Es ist nie zu spät, mit dem Rauchen aufzuhören und einen positiven Einfluss auf die eigene Gesundheit zu nehmen!
 
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von Prof. Dr. Sven Meuth
 
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Prof. Dr. Sven Meuth ist seit 2020 Direktor der Klinik für Neurologie an der Universitätsklinik Düsseldorf - und unser Neuro-Blogger! Jeden Monat liest Du hier einen Gastbeitrag von ihm. Mit seinem eignen Blog www.reine-nervensache.de informiert er in Zusammenarbeit mit Kolleg*innen regelmäßig über Entwicklungen in der Neurologie.
Quellen: