Machen wir uns der Vielzahl an Symptome und Einschränkungen einmal bewusst, wird deutlich, dass sich die Anforderungen an den Arbeitsplatz mit der Dauer der Erkrankung verändern werden. Menschen mit MS wollen weiterhin selbstbestimmt und aktiv am Arbeitsleben teilnehmen, können jedoch manchmal nicht mehr die gleiche Arbeitsleistung erbringen wie vor der Diagnose. Das kann verschiedene Ursachen haben, wie bspw. Nebenwirkungen der Medikamente, Sehstörungen durch einen Schub, verminderte Leistungsfähigkeit und Erschöpfung als Symptome der Erkrankung.
In unserer Serie “Arbeit & MS – Offener Umgang mit der Diagnose?” haben wir dir bereits verschiedene Perspektiven aufgezeigt, wie du mit der MS-Diagnose im Arbeitsumfeld umgehen kannst. Solltest du dich für einen offenen Umgang entschieden haben, dann können unsere Tipps zum Thema barrierefrei Arbeiten für dich besonders wertvoll sein, um deine Leistungsfähigkeit zu erhalten und dir einen inklusiven Arbeitsplatz zu schaffen.
Menschen mit MS haben oft unsichtbare Symptome, die nicht nur die eigene Flexibilität fordern, sondern auch zeitweise Änderungen im Arbeitsablauf. Sehstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten und Erschöpfung sind die häufigsten dabei. Sie können von Tag zu Tag variieren und dadurch täglich eine andere Herangehensweise an die Arbeitsaufgaben erfordern.
Um den Herausforderungen durch die MS beim Arbeiten gerecht zu werden, ist es manchmal nötig, flexibel mit den Arbeitszeiten zu sein. Möglich, dass Mitarbeiter*innen mehr Pausen benötigen oder einen späteren Arbeitsbeginn bevorzugen. Vielleicht ist die Produktivität und Konzentration auch auch morgens am höchsten, sodass früher am Nachmittag in den Feierabend gestartet werden kann. Bekommen Mitarbeiter*innen mit MS die Möglichkeit, ihre Arbeitszeiten und -abläufe mehr an ihre persönliche Leistungsfähigkeit anzupassen, kann dies dazu beitragen das Wohlbefinden, wie auch die Zufriedenheit zu verbessern.
„Bietet mein Beruf die Möglichkeit zu ausreichenden Pausen, zu einer flexiblen Gestaltung meines Arbeitstages und inwieweit kann ich individuelle Bedürfnisse einbringen. Und nicht zuletzt lohnt sich bei der Berufswahl auch der Blick auf die Fairness des Arbeitgebers gegenüber Menschen mit Einschränkungen.”
Prof. Dr. med. Mathias Mäurer; MS-Docblog
Arbeitgeber*innen sollten sich außerdem über die Erkrankung informieren, um ein Verständnis für die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter*innen zu entwickeln. Ein offenes Gespräch über die individuellen Anforderungen an den Arbeitsplatz, hilft dabei, die Arbeitsleistung zu erhalten und zu fördern.
Die barrierefreie Gestaltung des Büros geht über physische Zugänglichkeit hinaus. Es bedeutet, dass alle Mitarbeiter*innen, unabhängig von ihren Fähigkeiten, die Ressourcen des Büros ohne Einschränkungen nutzen können. Dies schließt die Verfügbarkeit von barrierefreien Toiletten und breiten Türen ein, aber auch die Anpassung von Gemeinschaftsräumen. Die Integration von visuellen oder akustischen Signalen kann beispielsweise Menschen mit Seh- oder Hörbeeinträchtigungen den Zugang zu Informationen erleichtern.
Eine Büroausstattung, um barrierefrei zu Arbeiten kann für Menschen mit MS verschiedene Vorteile bieten, um aktiv und selbstbestimmt am Arbeitsleben mitzuwirken.
Eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung kann bei Menschen mit Multipler Sklerose die physischen Belastungen reduzieren und die Arbeitsfähigkeit verbessern. Die Anforderungen an den Arbeitsplatz sind individuell und sollten daher auf die spezifischen Bedürfnisse und Einschränkungen der betroffenen Person abgestimmt sein.
Die Anpassungen für barrierefreies Arbeiten sollten nicht nur einen ergonomischen Stuhl und die richtige Bildschirmhöhe umfassen, sondern auch individuelle Bedürfnisse berücksichtigen. Verstellbare Schreibtische ermöglichen es Mitarbeitern*innen, zwischen Sitzen und Stehen zu wechseln, was besonders hilfreich ist, wenn längeres Sitzen unangenehm ist.
Eine ergonomische Arbeitsplatz Gestaltung hat viele Vorteile – nicht nur für Menschen mit MS:
Moderne Technologien bieten eine Fülle von Hilfsmitteln für MS-Betroffene. Die Integration von sprachgesteuerter Software, die Text in gesprochene Worte umwandelt, oder umgekehrt, erleichtert die Kommunikation und den Zugang zu Informationen. Spezielle Tastaturen und Mäuse, die an die individuellen Bedürfnisse angepasst sind, können die Arbeit am Computer erheblich erleichtern. Es ist wichtig, dass Arbeitgeber*innen regelmäßig ihre technologischen Ressourcen überprüfen und sicherstellen, dass sie den neuesten Standards für Barrierefreiheit entsprechen. Die Schulung der Mitarbeiter*innen im Umgang mit diesen Technologien ist ebenso entscheidend wie ihre Bereitstellung.
Eine barrierefreie Kommunikation erleichtert den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit. Eine gute Kommunikation fördert außerdem die Produktivität und trägt dazu bei, dass Aufgaben zügig und effektiv erledigt werden können.
Dies bedeutet nicht nur die Verwendung leicht verständlicher Sprache, sondern auch verschiedene Möglichkeiten der Interaktion, wie zum Beispiel die Verwendung von Textnachrichten, Sprache oder visuellen Elementen. Darüber hinaus sollten Meetings so gestaltet sein, dass sie für alle zugänglich sind. Auch kann es von Vorteil sein, wichtige Meetings aufzuzeichnen oder ein Protokoll im Nachgang an das Meeting zu versenden. So kann sichergestellt werden, dass auch bei schwindender Konzentration und Aufmerksamkeit alle wichtigen Fakten bekannt sind und die anstehenden Aufgaben erledigt werden können.
Die Bedeutung von Pausen und Ruheräumen für Mitarbeiter*innen mit MS kann nicht genug betont werden. Arbeitgeber*innen sollten nicht nur flexible Pausenregelungen ermöglichen, sondern auch spezielle Räume schaffen, in die sich Betroffene zurückziehen können. Diese Räume können mit bequemen Möbeln und gedämpftem Licht ausgestattet werden, um eine erholsame Pause zu ermöglichen.
Die Möglichkeit, sich in einen Ruheraum zurückzuziehen, hat für Menschen mit MS noch weitere Vorteile:
Die Möglichkeit, sich regelmäßig zurückzuziehen und aufzutanken, trägt nicht nur zur physischen, sondern auch zur mentalen Gesundheit der Mitarbeiter*innen bei.
Die Integration eines umfassenden betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) stärkt nicht nur die allgemeine Gesundheit der Mitarbeiter*innen, sondern kann auch eine spezifische Unterstützung für Menschen mit MS bieten.
Viele Unternehmen haben mittlerweile ein BGM etabliert. Leider werden manchmal die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen bei der Erstellung der Angebote vergessen. Hier kann es sinnvoll sein, mit den Betroffenen ins Gespräch zu gehen oder sich Unterstützung durch die Schwerbehindertenvertretung einzuholen. So können letztendlich auch die Angebote im Rahmen des BGM barrierefrei gestaltet werden und individuelle Gesundheitspläne, regelmäßige Gesundheitschecks und spezialisierte Programme zur Bewältigung von Stress oder Ermüdung Menschen mit MS im Arbeitsleben unterstützen.
„Da man einen Beruf nicht beliebig wie ein Kleidungsstück wechseln kann und die Berufswahl eine langfristige Entscheidung ist, ist man vor diesem Hintergrund als MS-Betroffener gut beraten, bei der Berufswahl bewusst vorzugehen.“
Prof. Dr. med. Mathias Mäurer; MS-Docblog
In manchen Fällen kann es nötig sein, geringfügige Anpassungen des Arbeitsumfelds oder der Aufgaben durchzuführen, damit MS-Betroffene ihren Job effektiver bewältigen können. Arbeitgeber*innen sollten offen dafür sein, solche Anpassungen zu unterstützen und mit den Mitarbeiter*innen gemeinsam eine geeignete Lösung zu finden.
Im Wesentlichen wollen Menschen mit MS nicht anders oder bevorzugt behandelt werden, sondern weiterhin aktiv und selbstbestimmt am Arbeitsleben mitwirken. Doch gerade die Offenheit des Unternehmens gegenüber Anpassungen, wenn betroffene Mitarbeiter*innen es für nötig erachten, kann einen entschiedenen Vorteil bieten und die Zufriedenheit und Leistungsbereitschaft erhalten.
Die Wünsche an unseren Arbeitsplatz sind bescheiden und keine Seltenheit in unserer heutigen Arbeitswelt. Eine gewisse Flexibilität, an manchen Tagen ins Home Office wechseln zu können und die Akzeptanz für physische und mentale Herausforderungen, die eine chronische Erkrankung mit sich bringt.