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Die Behandlung von MS folgt oft noch dem Prinzip „One size fits all“. Doch jeder Mensch ist anders – und Faktoren wie Biomarker, Vortherapie, Alter, Adipositas und Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) sollten eine größere Rolle in der individuellen Therapieplanung spielen.

Das betonte Prof. Dr. med. Refik Pul von der Universitätsmedizin Essen in einem unserer medizinischen Online-Vorträge zum Thema „MS & Multimorbidität – Was tun bei mehreren Erkrankungen mit MS?“. Denn eine personalisierte Behandlung, die auch eventuell auftretende Begleiterkrankungen berücksichtigt, könnte Betroffenen eine bessere Therapie ermöglichen.

Eine Autoimmunerkrankung kommt selten allein

Eine von Prof. Pul vorgestellte Auswertung zeigte, dass 16,1 % der MS-Patient*innen mindestens eine weitere Autoimmunerkrankung haben – in der Allgemeinbevölkerung sind es nur 4 %. Besonders häufig tritt die autoimmune Thyreoiditis (Hashimoto), eine Erkrankung der Schilddrüse, auf. Aber auch rheumatoide Arthritis, Schuppenflechte (Psoriasis), Colitis ulcerosa und Typ-1-Diabetes sind unter MS-Betroffenen verbreitet.

In der Studie konnte kein genereller Einfluss einer autoimmunen Begleiterkrankung auf den MS-Verlauf gesehen werden. Eine Ausnahme könnte die rheumatoide Arthritis darstellen, bei der die Gelenke durch das körpereigene Immunsystem angegriffen werden. Eine Studie zeigte, dass eine gleichzeitig auftretende rheumatoide Arthritis die Schubrate der MS erhöhen könnte1.

Deshalb ist es wichtig, Begleiterkrankungen in die Wahl der MS-Therapie einzubeziehen. Denn sie können nicht nur den Krankheitsverlauf beeinflussen, sondern auch darüber entscheiden, welche Medikamente geeignet sind.

Welche Medikamente helfen bei zwei Autoimmunerkrankungen?

Manche Medikamente wirken sowohl bei MS als auch bei anderen Autoimmunerkrankungen. Beispielsweise wird Dimethylfumarat sowohl zur Behandlung von MS als auch von Schuppenflechte eingesetzt. Und Leflunomid, ein Wirkstoff zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis, ist eng mit Teriflunomid verwandt, das bei MS verwendet wird.

Vorsicht ist allerdings bei TNF-Hemmern geboten: Diese Medikamente, die oft bei rheumatoider Arthritis und Schuppenflechte eingesetzt werden, sollten bei MS nicht verwendet werden, da sie die Krankheit verschlimmern könnten.

Es lohnt sich, aktuelle Studien im Blick zu behalten, um neue Erkenntnisse zu Medikamenten zu gewinnen, die bei mehreren Autoimmunerkrankungen gleichzeitig helfen könnten. Prof. Pul berichtete von zwei MS-Patient*innen mit rheumatoider Arthritis bzw. Schuppenflechte und erläuterte, welche Therapien sich in diesen Fällen als sinnvoll erwiesen haben.

Migräne tritt bei MS-Patient*innen häufiger auf

Migräne ist eine weitere Erkrankung, die bei MS-Betroffenen gehäuft auftritt. Sie ist ebenfalls eine neurologische Erkrankung. Meist besteht sie bereits vor der MS-Diagnose, kann aber in seltenen Fällen auch erst durch eine MS-Therapie ausgelöst und verschlimmert werden – insbesondere unter der Behandlung mit Fingolimod, wie Prof. Pul berichtete.

Auffällig ist, dass fast die Hälfte der MS-Patient*innen mit Migräne auch an einer Aura leiden. Bei ihnen kommt es vor und während des eigentlichen Kopfschmerz-Attacke zu Seh-, Gefühls- oder Sprachstörungen.  

Zum Vergleich: Bei Menschen ohne MS und mit Migräne tritt eine Aura nur in etwa 20 % der Fälle auf. Auch chronische Migräne, bei der an mindestens 15 Tagen im Monat Kopfschmerzen auftreten, scheint bei MS-Patient*innen häufiger vorzukommen.

Das Video zu diesem Artikel

Was tun bei mehreren Erkrankungen mit Multipler Sklerose?

Wie beeinflussen Begleiterkrankungen die MS-Therapie? Und welche Lösungswege gibt es für MS-Patient*innen mit Migräne, rheumatoider Arthritis oder Schuppenflechte? Antworten auf diese Fragen gibt es im kompletten Video mit Prof. Dr. Pul.