Multiple Sklerose (MS) ist eine komplexe Erkrankung des zentralen Nervensystems. Wenn wir über MS sprechen, ist es unerlässlich, das Immunsystem zu verstehen. Es spielt eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und dem Verlauf von MS.
Um Multiple Sklerose zu verstehen, ist es zunächst wichtig, sich mit dem normalen, funktionierenden Immunsystem auseinanderzusetzen. Unser Immunsystem ist wie eine Lebensversicherung, die Gewebsschädigungen durch Krankheitserreger verhindern soll. Doch nicht nur das – es überwacht auch unser eigenes Gewebe und bekämpft schadhafte Zellen, einschließlich potenzieller Tumorzellen. Anders als oft angenommen, ist MS keine Immunschwäche, sondern eher eine Überreaktion des Immunsystems.
Multiple Sklerose basiert auf Autoimmunität, was bedeutet, dass das Immunsystem fälschlicherweise körpereigenes Gewebe angreift. Um dies zu verstehen, werfen wir einen Blick darauf, wie das Immunsystem normalerweise zwischen eigen und fremd unterscheidet. Das Immunsystem funktioniert wie ein Netzwerk aus verschiedenen Organen, Zelltypen und molekularen Strukturen, die zusammenarbeiten.
Wir müssen zwischen dem angeborenen und adaptiven Immunsystem unterscheiden. Das angeborene Immunsystem reagiert schnell auf Bedrohungen, während das adaptive Immunsystem hochspezifisch und anpassungsfähig ist. Dieses Zusammenspiel ermöglicht es dem Körper, auf eine Vielzahl von Bedrohungen zu reagieren.
Zu den Schlüsselzellen des Immunsystems gehören die B- und T-Lymphozyten. B-Lymphozyten produzieren Antikörper, während T-Lymphozyten eine Vielzahl von Funktionen haben, darunter die Regulation der Immunantwort und die direkte Abtötung infizierter Zellen.
Der Thymus, ein Organ hinter dem Brustbein, spielt eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung und Differenzierung von T-Lymphozyten. Bei MS ist die Fähigkeit des Immunsystems, zwischen körpereigenen und fremden Zellen zu unterscheiden, gestört.
Da die Feinabstimmung des Immunsystems gestört ist, reagiert das adaptive Immunsystem übermäßig auf körpereigenes Gewebe. Autoreaktive T-Zellen können in das Zentralnervensystem eindringen und Entzündungen und Gewebsschädigungen verursachen. Dies kann zu Symptomen wie Müdigkeit, Schwäche und Koordinationsproblemen führen.
Im Laufe des Lebens verliert das Immunsystem seine Fähigkeit, neue Antigene zu lernen, während die Anzahl der Gedächtniszellen zunimmt. Dies kann zu einer verminderten Reaktion des Immunsystems im Alter führen. Bei MS kann dies sowohl Vor- als auch Nachteile haben, da die Entzündungsaktivität im Laufe der Zeit abnehmen kann. Bei MS-Patient*innen hingegen ist die Aktivität der Erkrankung oft in jungen Jahren am stärksten.
Die Kenntnis der molekularen Mechanismen des Immunsystems ermöglicht es Forscher*innen, gezielte Therapien zu entwickeln. Verschiedene Medikamente werden eingesetzt, um die übermäßige Aktivität des Immunsystems bei MS zu modulieren, ohne dabei die schützende Funktion zu beeinträchtigen.
Ein fundiertes Basiswissen über das Immunsystem ist entscheidend, um die komplexe Pathophysiologie von MS zu verstehen und wirksame Behandlungsstrategien zu entwickeln. Durch kontinuierliche Forschung und ein tieferes Verständnis des Immunsystems können wir hoffen, die Behandlungsmöglichkeiten für Menschen mit MS weiter zu verbessern.
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