Die Welt der Multiple Sklerose-Therapie hat in den letzten Jahrzehnten eine transformative Entwicklung erlebt. Von den ersten Spritzen in den 90er Jahren bis zu den neuesten innovativen Ansätzen stehen die Fortschritte im Mittelpunkt der Bemühungen, das Leben von Menschen mit Multipler Sklerose (MS) zu verbessern.
Die Geschichte der Therapie für Multiple Sklerose (MS) reicht bis ins Jahr 1995 zurück, als die ersten Therapien in Europa eingeführt wurden. Frühe Ansätze basierten auf Interferonen wie Avonex oder Interferon beta 1 subkutan, die alle 2 Tage oder dreimal die Woche verabreicht wurden. Eine kuriose Anekdote rankt sich um Interferon beta 1A, bei dem gemunkelt wird, dass die dreitägige Applikation auf die zeitliche Verfügbarkeit von teilnehmenden Nonnen in der Studie zurückzuführen ist.
Im Jahr 2000 betrat mit Mitoxantron eine neue Substanz die Bühne – ein Chemotherapeutikum, das gut verträglich war und bei Patient*innen eingesetzt wurde, die nicht gut auf Injektionstherapien ansprachen. Die Einführung von Mitoxantron führte zur Entwicklung der Stufentherapie, die zwischen verschiedenen Behandlungsformen eskalierte und deeskalierte, um optimale Ergebnisse zu erzielen.
Ein entscheidender Meilenstein war 2006 die Einführung von Natalizumab, nach anfänglichen Sicherheitsbedenken schließlich zugelassen. Dies markierte einen Wendepunkt in der MS-Therapie und eröffnete neue Perspektiven für die Behandlung. Die bahnbrechende Tablette Fingolimod erfüllte schließlich die Sehnsucht vieler Patient*innen, keine Spritzen mehr nehmen zu müssen, gefolgt von weiteren Tabletten wie Dimethylfumarat und Teriflunomide, die die Vielfalt der verfügbaren Therapieoptionen erweiterten.
Ein revolutionärer Schritt in der Behandlung von MS erfolgte ab dem 12. Januar 2018 mit der Einführung der ersten B-Zelltherapie, Ocrelizumab. Dieser Meilenstein markierte einen Wendepunkt in der MS-Behandlung und wirft gleichzeitig die Frage auf: Was war zuerst da, das Huhn oder das Ei? Vor den 50er Jahren war das Verständnis des Immunsystems begrenzt, doch bahnbrechende Entwicklungen ermöglichen heute innovative Therapieansätze wie die B-Zelltherapie.
Die Geschichte der B-Zelltherapie begann 1959 mit der Entdeckung von Antikörpern. Ab 1982 wurden monoklonale Antikörper, darunter Rituximab, bei Patient*innen eingesetzt. Ron Levy spezialisierte sich auf den Antikörper C2B8, später als CD20 bekannt. Dieser zeigte sich wirksam gegen Krebs und fand schließlich auch Anwendung in der MS-Behandlung. Rituximab reduzierte in einer Hermes-Studie von 2008 die Schubraten um beeindruckende 56% nach nur 24 Wochen im Vergleich zur Placebo-Gruppe.
Mit der Zeit entwickelten sich weitere B-Zelltherapien wie Ocrelizumab, Ofatumumab und Ublituximab, die gegen das CD20-Protein auf B-Zellen wirken. Diese Therapien zeigen vielversprechende Ergebnisse und erweitern die verfügbaren Optionen, insbesondere durch subkutane Anwendungen, die es den Patienten ermöglichen, die Behandlung zu Hause durchzuführen und ihre Lebensqualität zu verbessern.
Die MS-Therapie hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Früher standen vor allem Interferone im Fokus, die jedoch oft begrenzten Erfolg zeigten. Mit Natalizumab, einem monatlich applizierten Antikörper, hat sich das Bild jedoch verändert. Menschen berichten von einer plötzlichen Stille in ihrem Leben, von einer Reduktion der Schübe und einer verbesserten Lebensqualität.
Die MS-Forschung hat sich weiterentwickelt, und das Therapieziel ist nun klar definiert: Disease Activity Free Status.
Das bedeutet, dass Patient*innen keine Behinderungsprogression erleiden, keine neuen Läsionen im MRT entwickeln und keine Krankheitsschübe erfahren. Dieses Ziel treibt die Entwicklung neuer Medikamente voran, die darauf abzielen, die Krankheit in Schach zu halten.
„Es gibt viele Patientinnen bei denen gar keine Krankheitsaktivität nachgewiesen werden kann, die sogenannte NEDA – also No Evidence of Disease Activity.”
„NEDA ist in der Behandlung von Patientinnen unser Ziel. Das bedeutet, dass die Patientinnen keine Behinderungsprogression erleiden, dass sie im MRT keine neuen Flecke aufweisen und, dass sie keine Schübe bekommen.”
Früher ist man von einem 2-Phasen-Modell ausgegangen, in dem ein Übergang von der schubförmigen MS zur sekundär progredienten MS erfasst wurde.
Heute wissen wir, dass die Neurodegeneration bereits im frühen Stadium der Erkrankung beginnt. Langsam wachsende Läsionen spielen eine entscheidende Rolle, und die MS wird nun als Kontinuum betrachtet. Es gibt keine klare Trennung zwischen entzündlichen und degenerativen Phasen.
„Wir hatten früher ein ganz anderes Bild von der MS. Wir sind von einem 2-Phasen Modell ausgegangen, einem Übergang von der Schubförmigen MS zur Sekundär Progredienten MS. Dieses Modell wurde nun widerlegt. Die MS ist ein Kontinuum.”
Die neueste Entwicklung in der MS-Therapie sind die Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitoren (BTK). Substanzen wie Ibrutinib und Acalabrutinib zeigen vielversprechende Ergebnisse in frühen Studien. Sie zielen auf entzündliche Prozesse, insbesondere auf B-Zellen und Mikroglia ab, um die Krankheit effektiv zu behandeln.
Trotz vielversprechender Ergebnisse sind diese neuen Medikamente nicht frei von Nebenwirkungen. Lebertoxizität und Thrombozyten-Funktionsstörungen wurden beobachtet. Ein Sicherheitsmonitoring ist erforderlich und die Langzeiteffekte müssen noch weiter erforscht werden. Es gab sogar Fälle, in denen der primäre Endpunkt nicht erreicht wurde, was zu Unsicherheiten in Bezug auf die Wirksamkeit führt.
Die MS-Therapie befindet sich in einem spannenden Stadium, in dem neue Ansätze das Potenzial haben, das Leben von Menschen mit MS erheblich zu verbessern. Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitoren sind vielversprechende Kandidaten, obwohl weitere Forschung und sorgfältiges Monitoring erforderlich sind. Menschen mit MS können optimistisch in die Zukunft blicken, da die Wissenschaft kontinuierlich daran arbeitet, wirksamere und besser verträgliche MS-Therapien zu entwickeln.
Die chronische Erkrankung Multiple Sklerose (MS) ist eine neurologische Krankheit, an der viel geforscht wird. Besonders hat sich die Forschung zur MS in den letzten Jahren rasant entwickelt. Mittlerweile sind weit über ein Dutzend unterschiedlicher MS-Medikamente mit verschiedenen Wirkansätzen verfügbar. Gleichzeitig wird auch die Behandlung zunehmend komplexer. Es schwirren schon wieder neue Begriffe wie NEDA und Smouldering MS umher. Klar, dass es da gerade als Patient*in gar nicht so einfach ist, den Überblick zu behalten.