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Porträt vom Neurologen und MS-Experte Sven Meuth

Sven Meuth

Gastautor für aMStart

Die Ursachen der Multiplen Sklerose im Fokus der Wissenschaft

Basiswissen MS

Ursachen MS

Zuletzt aktualisiert: 04.06.2024

Ursachen MS, Wissenschaft, Eppstein-Barr-Virus, Multiple Sklerose

Die Multiple Sklerose (MS) stellt nach wie vor eine der rätselhaftesten neurologischen Erkrankungen dar. Die Diskussion über die Ursachen führt uns in ein Spannungsfeld zwischen genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen. In dieser Debatte gab es in jüngster Zeit eine faszinierende Wendung, die den Fokus auf das Epstein-Barr-Virus (EBV) lenkt. In Kooperation mit dem renommierten Wissenschaftler Orhan Aktaş werfen wir einen Blick auf bahnbrechende Studien, die zeigen, dass eine Infektion

Inhaltsverzeichnis

Die Ursachen der Multiplen Sklerose (MS) im Fokus der Wissenschaft

Die Diskussion über die Ursachen von Multipler Sklerose (MS) teilt die wissenschaftliche Gemeinschaft in zwei Lager: Die einen betonen genetische Faktoren als entscheidend, während die anderen Umweltbedingungen, einschließlich äußerer Naturfaktoren und Erregern wie Viren oder Bakterien, als maßgeblich für das MS-Risiko sehen.

In zwei beeindruckenden Studien, die Anfang 2022 veröffentlicht wurden, rückt die Umwelttheorie in den Vordergrund. Bjornevik et al. berichteten in Science, dass eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) bei Erwachsenen dem Ausbruch von MS vorausgeht. Bereits zum Zeitpunkt der EBV-Infektion sind molekulare Zeichen einer Immunattacke gegen das Gehirn nachweisbar, lange bevor der erste MS-Schub auftritt. Eine Nature-Studie von Lanz und Kollegen erklärt, dass Antikörper, die gegen das EBV-Protein EBNA1 gerichtet sind, eine Kreuzreaktion mit dem Nervensystem zeigen, was zu einer fehlgeleiteten Immunreaktion gegen das Gehirn führt.

Diese Erkenntnisse bestätigen die lange vermutete EBV-Hypothese der MS. Das Epstein-Barr-Virus ist zwar kein notwendiger, aber ein hinreichender Faktor für die Entwicklung von MS. Etwa 95% der Menschen durchlaufen eine EBV-Infektion, aber nicht alle erkranken an MS. Dennoch hatten 100% der MS-Betroffenen eine EBV-Infektion.

EBV als therapeutischer Ansatz

Eine vielversprechende Entwicklung in der MS-Forschung ist die mögliche therapeutische Ausrichtung auf das Epstein-Barr-Virus. Eine kürzlich veröffentlichte Pressemitteilung berichtet von einer Studie, bei der Immunzellen (ATA188) umprogrammiert wurden, um EBV-infizierte Immunzellen im Körper von MS-Betroffenen gezielt zu erkennen und zu eliminieren.

Die Ergebnisse dieser Studie wecken Hoffnungen für eine ursächliche MS-Therapie. Die mit ATA188 behandelten Patienten zeigten sogar neurologische Verbesserungen. Trotz dieser vielversprechenden Ergebnisse ist jedoch Vorsicht geboten. Die Datenlage basiert auf einer kleinen Phase-I-Studie mit 24 MS-Betroffenen, bei der verschiedene ATA188-Dosierungen getestet wurden. Die Nachbeobachtungsphase war mit 15 Monaten vergleichsweise kurz, und es fehlte eine echte Kontrollgruppe.

Herausforderungen und Zukunftsausblick in der MS-Therapie

Die vorläufigen Ergebnisse müssen mit Zurückhaltung betrachtet werden, da Phase-I-Studien in ihrer Machart oft Schwierigkeiten aufweisen. Eine wahre Beurteilung des Therapieeffekts ist ohne Vergleich mit unbehandelten Patient*innen oder einer Standardtherapie schwierig.

Die Hoffnung ruht nun auf der laufenden Phase-II-Studie (EMBOLD), die auch eine Placebo-Gruppe einschließt und eine Nachbeobachtungsphase von bis zu fünf Jahren vorsieht. Die Ergebnisse dieser Studie werden zeigen, ob der vielversprechende Therapieansatz die Erwartungen erfüllt und eine ursächliche MS-Behandlung möglich wird.

In Zusammenarbeit mit Orhan Aktaş bleibt zu hoffen, dass diese Entwicklungen einen Durchbruch in der MS-Therapie bedeuten und die Grundlagen für zukünftige erfolgreiche Behandlungen legen können.

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Quellen

  1. Reine Nervensache: MS und Rauchen – Ein Beitrag zum Weltnichtrauchertag, https://www.reine-nervensache.de/ms-und-rauchen-ein-beitrag-zum-weltnichtrauchertag/

  2. Bjornevik et al.; Longitudinal analysis reveals high prevalence of Epstein-Barr virus associated with multiple sclerosis, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35025605/

  3. Lanz et al.; Clonally expanded B cells in multiple sclerosis bind EBV EBNA1 and GlialCAM, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35073561/

  4. Pressemitteilung von Atara Biotherapeutics, https://investors.atarabio.com/news-events/press-releases/detail/269/atara-biotherapeutics-to-host-ebv-and-ms-day

  5. Reine Nervensache: MS-Therapieziel Epstein-Barr-Virus (EBV), https://www.reine-nervensache.de/ms-therapieziel-epstein-barr-virus-ebv-wenn-immunzellen-immunzellen-jagen/

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Sven Meuth

Prof. Dr. Sven Meuth ist seit 2020 Direktor der Klinik für Neurologie an der Universitätsklinik Düsseldorf – und unser Neuro-Blogger! Jeden Monat liest Du hier einen Gastbeitrag von ihm. Mit seinem eignen Blog www.reine-nervensache.de informiert er in Zusammenarbeit mit Kolleg*innen regelmäßig über Entwicklungen in der Neurologie.

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